Wir stehen in der obersten Etage des dreistöckigen Sonett-Neubaus im Deggenhausertal, 20 Kilometer vom Bodensee entfernt. Wände und Böden sind noch kahl, an manchen Stellen spitzeln Elektroleitungen heraus. Doch die Gastgeber, Andreas Roth und Rebecca Kramer, schildern lebhaft, was sie jetzt schon vor ihren inneren Augen sehen.
Die beiden vertreten die nachfolgende Generation des Unternehmens. Der 44jährige Andreas Roth leitet Einkauf und Personal und gehört seit Mitte 2018 zur Geschäftsführung. Die 42jährige Rebecca Kramer führt die Abteilungen Außendienst und Kundenberatung und betreut Großkunden. Durch Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichen, führt der Blick nach draußen auf das rund 18.000 Quadratmeter große Betriebsgelände.
Zu sehen ist eine Reihe an Gebäuden unterschiedlichen Alters, mit Holzfassaden und hohen Altbau-Fenstern. Ganz hinten die ehemalige Ziegelei mit Schornstein, in die Sonett vor 24 Jahren eingezogen ist. Der Neubau ist der vierte Erweiterungsbau des Öko-Pioniers „und wird nicht der letzte sein“, sagt der Geschäftsführer.
Zweistellige Zuwächse dank Greta-Effekt und Pandemie
Denn das Unternehmen wächst und wächst. Geschäftsgrundlage sind Wasch- und Reinigungsmittel auf Basis leicht und vollständig abbaubarer Rohstoffe. Mit rund 30 Prozent Marktanteil ist Sonett einer von zwei Marktführern in der deutschen Ökobranche. Als Andreas Roth 2007 ins Unternehmen einstieg, beschäftigte es 20 Mitarbeitende, heute sind es 104. Die Umsatzzuwächse des Öko-Herstellers, der neuerdings auch Kosmetik produziert, liegen seit Jahren im zweistelligen Bereich. Vor der Corona-Pandemie waren es beachtliche 20 Prozent, „dank Greta-Effekt“, sagt Andreas Roth.
Corona hat diese positive Entwicklung zusätzlich befeuert. 2019 erzielte Sonett 20 Millionen Euro Umsatz – für 2020 rechnet Roth mit 30 Millionen. Wie lässt sich ein solches Wachstum bewältigen? „Während der ersten Welle haben unsere Leute in drei statt zwei Schichten gearbeitet, auch am Wochenende, um die Auftragsflut aufzuarbeiten“, berichtet Rebecca Kramer. Auch der Vertrieb habe alle Hände voll zu tun gehabt, „die Kollegen mussten die Bestellungen priorisieren, da die Ware extrem knapp war“, sagt die 42-jährige. Halbliter-Flaschen gingen aus, Sprühköpfe konnten nicht geliefert werden. Desinfektionsmittel liefen zehnmal so viel wie sonst durch die Leitungen in der Abfüllung und glücklicherweise konnte ein externer Abfüllbetrieb zusätzlich gewonnen werden.
Positives Betriebsklima dank besonderer Unternehmenskultur
„Es war ein Kraftakt, den wir nur geschafft haben, weil wirklich jeder angepackt hat“, sagt Andreas Roth. Diese Zeit habe das Betriebsklima positiv geprägt, man sei noch mehr zusammengewachsen“, ergänzt seine Kollegin. Dabei pflegt Sonett schon immer eine besondere Unternehmenskultur. „Wir stellen Menschen ein, nicht die Funktion“, erklärt der Geschäftsführer. Gefragt sei nicht nur die Spezialisierung. Vielmehr gehe es darum, einzusteigen, wo man gebraucht werde und einander gut kennenzulernen, um Potenziale zu entwickeln und zu fördern. Unternehmenskultur bedeutet bei Sonett auch ein konstruktives Fehlermanagement. „Wir sprechen offen miteinander, wichtig ist, dass aus jedem Fehler etwas Konkretes gelernt wird“, erklärt Andreas Roth.
Wir sprechen offen miteinander, wichtig ist, dass aus jedem Fehler etwas Konkretes gelernt wird.
Sich um das Wohl der Mitarbeitenden zu kümmern gehört bei Sonett schon immer zu den Unternehmertugenden. Das drückt sich auch in der Gehaltspolitik aus. So liegt beispielsweise das Lohngefälle vom Einstiegslohn für ungelernte Mitarbeiter bis zum Geschäftsführer im Verhältnis 1:5. Zum Vergleich: Dax-Vorstände verdienen bis zu 141 Mal so viel wie ihre Angestellten. Im April 2020 schüttete Sonett als Dankeschön für den außergewöhnlichen Arbeitseinsatz den Corona-Bonus in vollem Umfang an die Belegschaft aus.
Unternehmen als Stiftung
Von Beginn an fühlten sich Beate Oberdorfer und Gerhard Heid, die die 1977 gegründete Firma vor 28 Jahren übernommen haben, weniger als Besitzer, sondern als treuhänderische Verantwortungseigentümer. In der Konsequenz übertrugen die beiden 2014 alle Kapitalanteile einer privaten Stiftung. Sonett gehört somit quasi sich selbst. Die Firmengewinne landen nicht in den Taschen der Chefs, Anteilseigner oder Investoren. Der größte Teil bleibt für Investitionen im Unternehmen, ein weiterer Part wird für Stiftungszwecke verwendet und ein dritter Teil, etwa in Höhe eines Monatsgehalts, wird jedes Jahr an die Mitarbeitenden ausgeschüttet.
Die Sonett-Stiftung verfolgt gemeinnützige Zwecke. Sie unterstützt etwa Forschung zu Wasser, Saatgut und Bodenfruchtbarkeit. Weil eine Stiftung weder verkauft noch vererbt werden kann, hängt das Wohl und Wehe der Firma nicht von Familienzugehörigkeit oder der Finanzkraft von Investoren ab. Das ist Gerhard Heid und Beate Oberdorfer wichtig. Mit Andreas Roth und Oliver Groß, beide seit mehr als sechs Jahren im Betrieb, hat die Geschäftsleitung 2019 die passenden Menschen dafür gefunden.
Erfolgreiche Firmengeschichte
Demnächst sollen Rebecca Kramer und Kerstin Schramm, beide ebenfalls langjährige leitende Sonett-Mitarbeiterinnen, das Führungsteam verstärken. Das ist dann der Zeitpunkt, zu dem sich Beate Oberdorfer und Gerhard Heid aus der Geschäftsleitung zurückziehen wollen, um sich auf ihre Aufgaben im Stiftungsrat zu konzentrieren. Beide blicken auf eine erfolgreiche Firmengeschichte zurück.
Als die Geschäftspartner das Unternehmen übernahmen, hatte sich Sonett bereits einen Namen in der Biobranche gemacht: Firmengründer Werner Geibel hatte ein leicht abbaubares Waschmittel im innovativen Baukastensystem auf den Markt gebracht. Mit Beate Oberdorfer und Gerhard Heid als Geschäftsführer entwickelte sich das Unternehmen rasch weiter. Die beiden führten neben dem ursprünglichen Pulver Flüssigwaschmittel mit Seife aus Bio-Ölen ein und erweiterten Schritt um Schritt das Sortiment: Reinigungsmittel, Handseifen, Spülmittel, und sogar Bio-Seifenblasen gehörten bald zum Öko-Angebot. Pionierarbeit leisteten die beiden durch ihre Mitarbeit an der Entwicklung von Öko-Standards und der BNN-Sortimentsrichtlinien für Wasch- und Reinigungsmittel.
Dynamische Qualität
Die eigenen Qualitätsansprüche reichen bei Sonett über diese Standards hinaus. Die Leitidee: Alles was verarbeitet wird, darf weder umwelt- oder gesundheitsschädlich noch allergisierend sein. Außerdem sollen die Rohstoffe wo immer möglich aus kontrolliert biologischem Anbau stammen. Darüber hinaus steht das Unternehmen für die sogenannte dynamische Qualität, die in der anthroposophischen Geisteswissenschaft gründet. Sie sei weltweit einmalig bei Wasch- und Reinigungsmitteln, sagt Andreas Roth. Dafür schickt Sonett das gesamte Produktionswasser – am Tag etwa 5.000 bis 7.000 Liter – durch eine gläserne Verwirbelungsanlage, um es zu beleben.
Außerdem wird allen Wasch- und Reinigungsmitteln ein nach anthroposophischen Regeln hergestelltes Präparat aus mineralischen und pflanzlichen Substanzen zugegeben, um sie aufzuwerten. Naturwissenschaftliche Belege gibt es nicht, aber bildgebende Verfahren wie die spagyrische Kristallisation zeigen deutliche Unterschiede zwischen herkömmlichen und Sonett-Waschmitteln. Unabhängig von feinstofflichen Merkmalen schneiden die Produkte des süddeutschen Öko-Pioniers in Tests regelmäßig gut ab.
Großgebinde und Mehrweg
Den Anspruch an Umweltverträglichkeit setzt das Unternehmen auch beim Thema Verpackung um. Großgebinde zum Wiederbefüllen gebrauchter (Kunden-)Flaschen im Laden hat Sonett schon lange im Repertoire. Doch mit Aufkommen der Unverpackt-Läden bekam diese Idee einen enormen Aufwind. Mehrfach im Einsatz sind auch die 10- und 20-Liter-Kanister, die das Unternehmen im Rahmen eines Pilotprojekts zurücknimmt, reinigt und wieder befüllt. Allerdings kommen 10 bis 20 Prozent der Plastikkanister aus Bio- und Unverpacktläden beschädigt und somit nicht wiederverwendbar zurück.
Entmutigen lassen sich die Geschäftsführer davon nicht. Das Material soll als Basisrohstoff für neue Sonett-Flaschen dienen. Recyclingplastik aus dem Gelben Sack lehnt man ab, „wegen unkalkulierbarer Inhaltsstoffe und Allergenen“, sagt Rebecca Kramer. Das jährliche Einsparpotenzial an PE-Kunststoff beziffert Roth mit 80 Tonnen. Neuerdings füllt Sonett auch in Glasflaschen ab. Es handelt sich um Naturkosmetik, den jüngsten Spross im Sortiment. Im Mittelpunkt steht die Mistel, eine bewährte Heilpflanze. Ihre in einem speziellen Verfahren extrahierten Wirkstoffe bereichern Pflege- und Massageöle, die künftig im ersten Stock des Neubaus produziert und abgefüllt werden. Im Erdgeschoss finden weitere moderne Abfüllanlagen Platz. Läuft alles nach Plan, sollen Produktion und Abfüllung im ersten Quartal 2021 in Betrieb gehen.
Drei Fragen an Rebecca Kramer und Andreas Roth
Wie sehen Sie die Rolle von Sonett?
AR: Wir sehen uns als Qualitätsmarktführer für ökologische Wasch- und Reinigungsmittel weltweit. Einzigartig ist, dass wir rhythmisierte Waschmittelzusätze und gewirbeltes Wasser verwenden.
Welche Zukunftsaufgaben stehen an?
RK: Die Frage ist, wie wir unsere Ideale weitertragen können. Sonett hat die Stiftung Verantwortungseigentum mitgegründet, die eine neue Rechtsform für Unternehmen etablieren will.
Wie lässt sich „Mehr bio für morgen“ realisieren?
AR: Wir vertrauen auf die wachsende Urteilsfähigkeit der Kunden. In Zeiten von Fridays for Future wächst das Bewusstsein für Themen wie Umwelt und Tierwohl. Unsere Aufgabe ist es, bestmögliche Qualität zu liefern – so viel wie nachgefragt wird.
Zahlen – Daten – Fakten
Gründung: 1977
Standort: Deggenhausen
Sortiment: Wasch- und Spülmittel, Haushaltsreiniger, Handseifen, Desinfektionsmittel, Naturkosmetik
Anzahl Produkte: 60
Anzahl Mitarbeitende: 104 (54 Männer, 50 Frauen) plus 36 Helfer und Helferinnen aus den Camphill Werkstätten Lehenhof
Produktions- und Lagerfläche: 10.000 Quadratmeter
Exporte: 31 europäische, 12 außereuropäische Länder
Kunden: Naturkostfachhandel, Unverpackt-Läden, einige regionale LEHs, Schulen, Praxen, Reinigungsunternehmen und Heime
Umsatz: 2020 ca. 30 Millionen Euro
Geschäftsführer: Oliver Groß, Gerhard Heid, Beate Oberdorfer, Andreas Roth
Website: www.sonett.eu
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