Gründe für das Rekord-Wachstum bei Bio gibt es viele: Den langfristigen Nachhaltigkeitstrend, den Greta-Effekt und das Bedürfnis der Menschen, in Seuchenzeiten ihrer Gesundheit etwas Gutes zu tun. Andere allerdings haben mit diesem Wachstum nichts zu tun. Es war typisch. Am 15. Januar, kurz vor der Grünen Woche und der Wir haben es satt-Demo, veröffentlichte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner das neueste Ökobarometer, posaunte erste Bio-Zahlen für 2020 in die Welt (plus 17 Prozent) und feierte 20 Jahre Bio-Siegel. Die Botschaft war klar: Bio boomt, weil ich etwas dafür tue. Puste-kuchen.
Bio boomt trotz Julia Klöckner. In dem von ihr vorgestellten Ökobarometer teilten 44 Prozent der Befragten mit, dass sie „ausschließlich“ Bio-Eier kaufen. 16 Prozent kauften „ausschließlich Bio-Fleisch“. Mit der Wirklichkeit haben solche Aussagen nichts zu tun. Sie zeigen lediglich, wie die Befragten gerne gesehen werden wollen. Als Bio-Helden, weil das gut fürs Image und fürs Gewissen ist. Mit Julia Klöckner ist es das Gleiche. Worte und Taten klaffen meilenweit auseinander und dort, wo es drauf ankommt, entscheidet das Geld. Der ach so bio-affine Verbraucher greift dann doch zum konventionellen Billigfleisch und die Agrarministerin segnet wieder die alten Subventionsregeln ab, die Fläche fördern statt Gemeinwohl.
Sie sind für die Bauern schlimmerals ein Hagelschlag.
Das von Klöckner so gelobte Bio-Siegel ist tatsächlich eine tolle Errungenschaft. Nur hat es nicht sie erfunden, sondern die damalige grüne Ministerin Renate Künast. Es war Bioland-Sprecher Gerald Wehde, der daran erinnerte, dass auf Künasts Erfolge 15 Jahre Unionspolitik gefolgt seien, „in denen der Umbau der Landwirtschaft nicht vorangetrieben, sondern blockiert wurde. Taktgeber waren wieder der Bauernverband und die Lobby der Agrarindustrie“. Deren Sichtweise teilen auch viele ranghohe Ministerialbeamte, denen es völlig egal ist, wer unter ihnen Minister ist. Denn diese wechseln alle paar Jahre, während die Beamten höchsten die Karriereleiter hinauffallen und noch einflussreicher werden.
In solchen Strukturen wird es auch eine grüne Landwirtschaftsminister*in schwer haben, wenn es nach der Bundestagswahl eine geben sollte. Da hilft nur eines: Ausmisten. Dafür sind sie ja auch mal angetreten, die Grünen. Im April 1987 stand ihr Bundestagsabgeordneter, der Bio-Bauer Hias Kreuzeder aus Freilassing, in der Hirschledernen und mit Leinenhemd am Redepult und prangerte in deftigem Bayerisch die Landwirtschaftspolitik der Regierung an, die immer mehr kleine und mittlere Familienbetriebe in den Ruin treibe. Zum Schluss gab er dem damaligen Agrarminister Ignaz Kiechle von der CSU den Satz mit: „Herr Minister, Sie sind für mich und meine Kollegen schlimmer als ein Hagelschlag kurz vor der Ernte. Treten Sie zurück!“
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