Krise? Welche Krise?! Trotz herber Corona-Verluste in der Brauerei-Branche haben die Bio-Hersteller ihren Absatz 2020 deutlich gesteigert.
Deutschlandweit sank der Bier-Absatz laut dem Statistischen Bundesamt im Vergleich zu 2019 um 27 Prozent. Bei Neumarkter Lammsbräu gab es nach BioHandel-Informationen ein Absatz-Plus von mehr als sieben Prozent auf 108.000 Hektoliter. Störtebeker spricht nur von einer „sehr guten Entwicklung mit Wachstum“.
Regional vernetzt – Fachhandel im Fokus
Die Gründe für die starke Bio-Bilanz? „Wir haben sehr von unserer regionalen Verwurzelung profitiert“, erklärt Lammsbräu-Chef Johannes Ehrnsperger. Durch kurze Wege zu den Landwirten gab es laut Ehrnsperger keine Probleme in der Lieferkette. Kunden hätten außerdem in der Krise ein Gespür für „echte Regionalität und Nachhaltigkeit entwickelt.“ Seit über 30 Jahren ist genau das der Markenkern des Bio-Pioniers aus der bayerischen Oberpfalz.
Zur Wahrheit gehört auch, dass die Bio-Brauereien traditionell stark auf den Fach- und Einzelhandel setzen und wenig auf das gastronomische Geschäft und Großevents. Ein Vorteil – gerade im „Corona-Jahr“. Doch der Markt wächst generell: Laut Schätzungen des Getränke-Fachmagazins Inside liegt der Bio-Bier-Gesamtabsatz bei rund 500.000 Hektoliter.
Riedenburger mit Design-Update und kräftigem Plus
Beim Riedenburger Brauhaus stieg der Absatz 2020 dank der Flaschenbiere um elf Prozent auf rund 30.000 Hektoliter. „Dafür haben wir viel gemacht“, erzählt Geschäftsführer Maximilian Krieger stolz. Die Etiketten haben ein frisches Design bekommen. Neue Sorten wie das „Natur-Radler“ oder das „Historische Emmerbier“ liefen sehr gut. Brauerei-Chef Krieger weiß: „Der generelle Bio-Boom im letzten Jahr hat uns natürlich geholfen“. Interessant: Die alkoholfreien „Riedenburger“-Biere konnten sogar um 15 Prozent zulegen, ein genereller Trend bei Bio-Getränken.
Seine Rohstoffe bezieht Riedeburger von Landwirten aus der Nähe. Keine leichte Strategie, berichtet der Chef: „Wir mussten viele Bauern überzeugen, mit uns diesen Weg zu gehen.“ Denn der Bio-Anbau sei teurer und aufwendiger. Beim Hopfen könne man beispielsweise erst drei Jahre nach der Umstellung wieder vermarkten.
Umstellen auf Bio ist hart und aufwendig
Hopfen wird in Mono- und Dauerkulturen angebaut. Viele Bauern haben Angst, bei einem Schädlingsbefall die Ernte auf Jahre zu verlieren. Deswegen ist der Dünger- und Pestizid-Einsatz extrem hoch. Außerdem ist der Platz begrenzt, und die „spritzende“ Konkurrenz oft zu nah. Nur elf Öko-Hopfenanbaubetriebe gibt es in Deutschland, vor allem in Bayern und Baden-Württemberg.
Der Umstieg auf Bio ist in der Bier-Branche knallhart. Als das Riedenburger Brauhaus Mitte der 90er Jahre auf Bio setzte, verlor die Traditionsbrauerei die Hälfte ihrer Stammkunden. Ein Kopf-Problem, glaubt Chef Maximilian Krieger. „Plötzlich schmeckt das Bier dem Stammkunden nicht mehr. Nur, weil Bio drauf steht. Diese Leute verliert man.“ Der Kundenkreis ändere sich spürbar, weil auch der Preis steigt.
Paulaner-Tochter Schmucker wagt sich in den Bio-Markt
Es ist der Mix aus knappen Rohstoff-Ressourcen, langjähriger Image-Pflege und Marken-Psychologie, der den Einstieg für Bio-Neulinge so schwierig macht. Die Paulaner-Gruppe traut sich trotzdem, schickt aber eine Tochter-Brauerei vor: Die Privatbrauerei Schmucker aus dem südhessischen Odenwald hat 270 Jahre auf dem Buckel, mit Bio betritt sie Neuland.
Zwei Bio-Sorten will Schmucker auf Nachfrage von BioHandel im Laufe des zweiten Quartals 2021 auf den Markt bringen. „Es geht uns dabei nicht ums Siegel, sondern um eine Entwicklung hin zu einer immer nachhaltiger arbeitenden Brauerei“, erläutert Geschäftsführer Willy Schmidt. Mehr Details will er erstmal nicht preisgeben. Beim Vertrieb dürfte Schmucker auf die Strukturen von Paulaner setzen. Auch bei der Rohstoff-Beschaffung könnten die Odenwälder von der Netzwerk-Größe profitieren.
Bio-Rohstoffe für Bier stark begrenzt
Die Anbau-Fläche von Öko-Gerste ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Trotzdem bleibt die Rohstoffbeschaffung ein wichtiger Knackpunkt neben der Platzierung am Markt und dem Vertrauensaufbau beim Kunden.
Die Brauerei-Größe Flensburger hat ihre Bio-Linie vor gut zehn Jahren relativ schnell nach dem Start wieder eingestellt. Zu kompliziert und teuer war die Beschaffung von Öko-Gerste, -Hopfen und Co, zu gering der Kundenzuspruch.
Das Kurz-Intermezzo von Flensburger brachte den Rohstoff-Markt damals aus dem Gleichgewicht. Eine Entwicklung, die laut Riedenburger-Chef Krieger deutschlandweit spürbar war: „Der Markt war zeitweise überschwemmt mit Hopfen. Das war nicht gesund.“ Das zeigt auch, wie sensibel die Tektonik der Bier-Branche ist. Angst vor neuer Konkurrenz hat Krieger trotzdem nicht. „Es fördert den Bio-Ansatz und bringt das Thema weiter voran.“
Natürlicher Genuss als Kaufkriterium
Im Unterschied zu konventionellen kommen Bio-Biere ohne Zusatzstoffe aus. Beispielsweise wird kein „Polyvinylpolypyrrolidon“ (PVPP) eingesetzt. Standard-Brauereien mixen das Kunststoff-Granulat oft ins Bier, um es über Monate klar zu halten. Hopfen-Extrakt und Färbe-Tricks sind für Bio-Biere genauso tabu. Das sorgt für einen natürlichen Genuss – und der zählt.
Gerade kleine Bio-Brauereien wie die Potsdamer Braumanufaktur profitieren von dem intensiveren Trink-Erlebnis. Für Geschäftsführer Thomas Köhler war 2020 ein hartes Jahr. Monatelang musste er den Gastro-Bereich schließen und wegen der Betriebsstruktur bekam er keine Corona-Hilfen. Trotzdem konnte seine Manufaktur leicht wachsen. „Wir produzieren am Limit, vor allem Flaschenbiere. Durch die Nähe zu Berlin haben wir einen sehr guten Markt direkt vor der Haustür. Das hilft!“
„Bio“ hilft beim Marketing
Bestseller der Bio-Braumanufaktur ist die „Potsdamer Stange“. Ein unfiltriertes Vollbier, bei dem Gersten- und Weizenmalz kombiniert werden. Eine Mischung, die in der Region gut ankommt und den Markteintritt erleichtert. Genau wie das Bio-Spiegel. „Wir sind in mehreren Supermärkten ins Sortiment genommen worden, weil Kunden nach unserem Bier gefragt haben“, erzählt Köhler.
Es sei die Kombination aus „beliebt“, „regional“ und „bio“ mit der man laut Köhler schneller in den Markt kommt als andere. Eine Kombination, die auch für gute Zukunftsperspektiven sorgt – und Investitionen mit sich bringt: Neumarkter Lammsbräu schraubt an Logistikhalle und der hauseigenen Bio-Mälzerei. Im Riedenburger Brauhaus fließt Geld in Lager- und Produktionskapazitäten. Bio-Bier macht weitere Schritte aus der Nische.
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