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Berief verbannt den Nutri-Score. Warum erst jetzt?

Der Hersteller von pflanzlichen Drinks entfernt ab März die Lebensmittelampel von seinen Produkten. Der Schritt ist verständlich und fragwürdig zugleich. Ein Kommentar.

Mit viel Lob für den Nutri-Score hatte Berief 2021 die Einführung der Nährwertkennzeichnung auf seinen pflanzlichen Drinks angekündigt. Der Bio-Hersteller aus dem nordrhein-westfälischen Beckum war davon überzeugt, „dass dieses System hilft, sich bewusster und gesünder zu ernähren“, wie Co-Geschäftsführer Bernd Eßer seinerzeit verkündete.

Daran glaubt man bei Berief seit dem Februar dieses Jahres nun offenbar nicht mehr. Der Grund: Nach der jüngsten Überarbeitung zur Bestimmung des Nutri-Scores werden künftig alle Produkte, die getrunken werden, nach dem Algorithmus für Getränke bewertet. „Somit werden künftig auch Milch, Milchgetränke sowie Pflanzendrinks mit dem aktualisierten Getränkealgorithmus bewertet und nicht mehr, wie bislang, mit dem Algorithmus für allgemeine Lebensmittel“, teilte das an der Überarbeitung beteiligte Max Rubner-Institut Mitte Februar mit. Demnach bleibe Wasser das einzige Getränk, das eine A-Bewertung erzielen kann.

Michael Stahl ist Verantwortlicher Redakteur Digital

Für Berief heißt das im Umkehrschluss: Zahlreiche, bislang mit der grünen Bestnote „A“ bewertete Getränke des Unternehmens, würden künftig mindestens mit einem „B“ oder schlechter eingestuft werden. „Unsere Drinks werden durch ihren natürlichen Zuckergehalt der Rohstoffe, z.B. Hafer, deutlich herabgestuft“, teilte Berief vergangene Woche mit und erklärte schon fast etwas beleidigt: „Die Lebensmittelampel von vermeintlich gesunden Produkten wird ab März 2024 von unseren Produkten verschwinden.”

Beriefs Reaktion auf den neuen Algorithmus, mit dem die Lebensmittelampel berechnet wird, ist verständlich und fragwürdig zugleich. Das Unternehmen kritisiert, dass Bio im Nachtteil gegenüber konventionellen Herstellern ist, die den Nutri-Score für ihre Produkte vergleichsweise einfach verbessern könnten, weil diese nicht den Beschränkungen durch die Bio-Verordnung unterliegen.

Die Kritik ist nicht neu

Ein Beispiel ist der Einsatz künstlicher Aromen, der Bio-Herstellern untersagt ist und der eine geschmackliche und gleichzeitig zuckerfreie Optimierung von Lebensmitteln möglich macht. Ein weiterer Kritikpunkt, den Berief anführt: „Attribute wie Bio-Qualität, der Verzicht auf Zusatzstoffe sowie der Einsatz natürlicher regionaler Zutaten im Sinne des Clean Labels werden nicht berücksichtigt.“

So ungerecht das auch sein mag. Die Kritik, dass Lebensmittel, die ökologisch hergestellt werden, beim Nutri-Score vergleichsweise schlecht wegkommen, ist nicht neu. „Die Benachteiligung von Bio-Lebensmitteln durch das Nutri-Score-System wurde bereits bei der Verbändeanhörung zum Nutri-Score im BMEL am 17.12.2019 diskutiert“, teilte Berief selbst mit. Daran hatte sich auch im Wesentlichen nichts geändert, als der Hersteller im Jahr 2021 dem Label einen Platz auf seinen Getränkekartons freiräumte.

Im Gegenteil: In der jüngsten Revision des Nutri-Scores wurden auch Kritikpunkte zumindest teilweise berücksichtigt, die Bio-Hersteller vorgebracht hatten. Beispielsweise werden ballaststoffreiche Vollkorn-Produkte indirekt aufgewertet, indem ballaststoffärmere Varianten im Schnitt künftig eine weniger günstige Bewertung erhalten. Und pflanzliche Öle mit einem hohen Gehalt an ernährungsphysiologisch günstigen ungesättigten Fettsäuren werden besser beurteilt.

Verzicht wäre glaubwürdiger gewesen

Trotz der Vorbehalte entschied sich Berief dazu, den Nutri-Score für seine Milchalternativen auszuweisen. Zu dieser Entscheidung beigetragen hat sicher auch, dass Pflanzendrinks trotz der Benachteiligungen bislang gut abschnitten – Berief-Produkte trugen im alten System durchweg eine A- oder B-Bewertung. Mit dem Umzug in die Kategorie Getränke sind nun aber plötzlich auch die eigenen Hafer-, Mandel- und Soja-Drinks von den Tücken des Bewertungssystems betroffen.

Es ist verständlich, dass sich Berief den Ruf seiner zweifelsfrei qualitativ hochwertigen Produkte durch den neuen und immer noch verzerrten Nutri-Score nicht kaputtmachen lassen möchte. Aber wenn es wirklich darum geht, eine bewusstere und gesündere Ernährung zu fördern, wäre es glaubwürdiger gewesen, das Unternehmen hätte gänzlich auf die von Anfang an umstrittene Ampel verzichtet – und nicht erst jetzt, wo es die Benachteiligungen selbst zu spüren bekommt.

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