- Bioland sieht 30-Prozent-Ziel in Gefahr
- Naturland fordert verlässlichen Plan für Öko-Umbau der Landwirtschaft
- Biokreis warnt vor weiterem Höfesterben und steigenden Lebensmittelpreisen
- BÖLW erinnert an bestehende Umbaukonzepte für die Landwirtschaft
- Junge AbL fordert faire Erzeugerpreise zukunftsfähige Rahmenbedingungen
Im Dezember 2023 hat die Bundesregierung ihren Haushalt und die Einsparungspläne für das Jahr 2024 vorgestellt. Unter anderem gab die Ampel bekannt, langjährige Subventionen für Landwirtinnen und Landwirte streichen zu wollen. Darunter die Steuerbefreiung für Landmaschinen sowie die Agrardieselbeihilfe.
Bereits kurz nach der Offenlegung der geplanten Einsparungsmaßnahmen gab es erste Proteste seitens betroffener Menschen aus der Landwirtschaft. Wie aus einem aktuellen Bericht der Tagesschau hervorgeht, habe sich auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir nach Bekanntgabe der Subventionsstreichungen dafür eingesetzt, dass die Kürzungen nicht kommen.
Zu Jahresbeginn kam zumindest teilweise Entwarnung aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). In einer Pressemitteilung erklärte Özdemir: „Wir haben gemeinsam eine Lösung gefunden, die eine überproportionale Belastung der Land- und Forstwirtschaft abwendet. In den letzten Tagen habe ich dazu viele intensive Gespräche geführt, auf die Schlagseite zulasten des Agrarsektors hingewiesen und Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht.“ In den Gesprächen habe man sich darauf geeinigt, die KfZ-Steuerbefreiung für Landmaschinen sowie das grüne Nummernschild beizubehalten. Darüber hinaus werde die Agrardieselbeihilfe über drei Jahre stufenweise abgeschafft: minus 40 Prozent des Entlastungssatzes in 2024, in den Jahren 2025 und 2026 jeweils um 30 Prozent.
Trotz des Einlenkens und der Zugeständnisse riefen Bauernverbände sowie Landwirtinnen und Landwirte dazu auf, in der Woche vom 8. bis 12. Januar 2024 gegen die geplanten Streichungen landesweit zu protestieren. Denn wie aus Medienberichten und Beiträgen in den sozialen Medien hervorgeht, geht es den Betroffenen längst nicht nur um die schrittweise Streichung des sogenannten Agrardiesels.
Bioland sieht 30-Prozent-Ziel in Gefahr
Über seinen Linkedin-Kanal bezieht Bioland-Präsident Jan Plagge Stellung zu den Entscheidungen der Bundesregierung und äußert dabei Bedenken in Hinblick auf das Regierungsziel 30 Prozent Bio bis 2030 zu erreichen: „Leider wirkt es aktuell so, dass die Bundesregierung keinen richtigen Plan für die dringend nötige Transformation der Landwirtschaft zu mehr Bio, Klima-, Umwelt- und Tierschutz hat. Dafür sprechen zumindest Maßnahmen wie die Abschaffung des Agrardiesels. Denn die Landwirt*innen werden dadurch zusätzlich belastet, ohne dass überhaupt ein positiver Effekt für Umwelt und Klima zu erwarten ist. So wird es kaum möglich sein, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen!“
Der Bioland-Verband erklärt dazu auf Linkedin 5. Januar weiter: „Auch wenn die Bundesregierung gestern die Streichung der KFZ-Steuerbefreiung in der Landwirtschaft zurückgenommen hat: Der Agrardiesel soll (abgestuft) auslaufen und dem Sektor würde damit perspektivisch eine knappe halbe Milliarde Euro fehlen. Das wird Landwirt*innen in finanzielle Nöte führen. Und es blockiert den dringend notwendigen Umbau der Land- und Lebensmittelwirtschaft, den die Bundesregierung sich selbst auf die Fahnen geschrieben hat. Denn die Transformation zu mehr Bio, Klima-, Umwelt- und Tierschutz kann nicht funktionieren, wenn der Bundeshaushalt zu Lasten der Landwirtschaft saniert werden soll. (…) Übrigens: Diesen Standpunkt werden einige von uns auch auf die Straße tragen. Leider ist zu erwarten, dass andere die Gelegenheit nutzen werden, um mit menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Parolen Hass und Hetze zu schüren. Davon möchten wir uns bereits im Voraus ausdrücklich distanzieren!“
Naturland fordert verlässlichen Plan für Öko-Umbau der Landwirtschaft
Auf Anfrage von BioHandel äußerte sich auch Naturland-Präsident und BÖLW-Vorstand Hubert Heigl zu den Kürzungen und den daraus resultierenden Demonstrationen: „Die Proteste waren nach den ungerechten Kürzungsplänen der Bundesregierung unvermeidlich. Auch viele Bio-Betriebe haben sich daran beteiligt. Da hat sich über die Jahre viel Ärger angestaut und der musste mal raus. Der Agrardiesel war nur der Tropfen, der das Fass jetzt zum Überlaufen gebracht hat. Die teilweise Rücknahme der Kürzungspläne ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht aus: finanziell nicht für die Betriebe, die trotzdem noch große Einkommenseinbußen haben, und konzeptionell nicht für die Zukunft der Landwirtschaft insgesamt“, kommentierte Heigl.
Wir müssen über das ganze Fass reden, dass da übergelaufen ist. Vielen Betrieben fehlt die Perspektive, wie es in Zukunft weiter gehen soll. Deshalb brauchen wir endlich einen verlässlichen Plan für den ökologischen Umbau der Landwirtschaft. Dann wissen die Betriebe, was auf sie zukommt und können planen. Die Konzepte liegen vor, aber die Bundesregierung muss endlich ins Handeln kommen. Genau dafür demonstrieren Naturland und die anderen Bio-Verbände auch dieses Jahr wieder bei der ‚Wir haben es satt!‘-Demo in Berlin“, so Heigl weiter.
Biokreis warnt vor weiterem Höfesterben und steigenden Lebensmittelpreisen
Der Anbauverband Biokreis wendete sich bereits Ende Dezember 2023 mit einem offenen Brief an Olaf Scholz, darin schreibt der Biokreis-Vorstandsvorsitzende Thorsten Block unter anderem über die Folgen der Einsparungen für kleinere Betriebe: „Die Dieselrückvergütung ist ein Instrument, das insbesondere kleinbäuerliche und ökologisch wirtschaftende Betriebe entlastet. Entfällt sie, werden das Höfesterben und der Strukturwandel in der Landwirtschaft noch einmal beschleunigt. Der Ausbau des Ökolandbaus wird Rückschläge erleiden.“
„Der Ausbau des Ökolandbaus wird Rückschläge erleiden.“
Block zufolge werde die Streichung der Vergütung auf lange Sicht für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu steigenden Lebensmittelpreisen führen. „Kurzfristig werden aber vor allem landwirtschaftliche Betriebe die Leidtragenden sein. Sie werden die Mehrkosten für ihre Produktion beim Verkauf nicht weitergeben können und daher mit sinkenden Einnahmen umgehen müssen. Das trifft kleinere und mittlere landwirtschaftliche Betriebe besonders hart, weil sie weniger Spielraum haben, die Mehrkosten auszugleichen“, kommentierte Block.
BÖLW erinnert an bestehende Umbaukonzepte für die Landwirtschaft
Nach dem teilweise Zurückrudern der Bundesregierung meldete sich auch der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) zu Wort und mahnte die Verantwortlichen an, bestehende Lösungsansätze in ihre Entscheidungen miteinzubeziehen: „Damit die Haushaltskonsolidierung mit positiven Effekten für Umwelt und Betriebe verbunden werden kann, brauchen wir die Akzeptanz und Mitwirkung des gesamten Sektors. Die Umbaukonzepte der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission liegen der Bundesregierung vor und müssen unbedingt berücksichtigt werden.“
Es sei „ein Fehler, die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern zusätzlich zu belasten, während an anderer Stelle neue Milliarden für einen Industriestrompreis gewährt werden sollen oder die geplante Kerosinsteuer nun doch nicht kommen soll. Dies geht zu Lasten des Mittelstandes, so der BÖLW weiter. „Klimaschutz und Klimaanpassung stellen Höfe vor wachsende finanzielle Herausforderungen. Landwirtschaft und Ernährung müssen umgebaut werden, damit sie zukunftsfähig werden.“ Weiterhin erinnerte der BÖLW an die „Wir haben es satt“-Demo am 20.01.24 in Berlin und bat alle Demonstrierenden, beim Protest demokratische Regeln zu wahren.
Junge AbL fordert faire Erzeugerpreise zukunftsfähige Rahmenbedingungen
Mit einem Video-Beitrag verschaffte sich die Junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft fast 130.000 Likes und somit große Aufmerksamkeit auf Instagram. Die jungen Landwirtinnen und Landwirte fordern in ihrem Video faire Erzeugerpreise und unterstreichen, dass sie hinter den aktuellen Bauern-Protesten stehen. Sie machen darüber hinaus jedoch auch mehr als deutlich, dass sie sich dabei nicht von extremen Rechten instrumentalisieren lassen wollen.
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