Die Bio-Branche blickt mit gemischten Gefühlen auf das neue Jahr 2025. Während die Umsätze im Bio-Fachhandel erste Zeichen der Stabilisierung zeigen, bleiben die Rahmenbedingungen unsicher – geprägt von wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Veränderungen.
Jan Plagge, Präsident Bioland
„2025 beginnt mit einem Schwung für die Bio-Branche“, teilt Jan Plagge, Präsident des Anbauverbands Bioland, mit. Die Umsatzzuwächse im Fachhandel seien „ein wichtiges Signal an den Handel, aber auch an die zuliefernden und umstellungsinteressierten Betriebe“. Laut Plagge zeigen diese Entwicklungen, dass die Kundinnen und Kunden „Bio wertschätzen und Lebensmittel einfordern, die auf Tierwohl und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen einzahlen“.
Dennoch rechnet der Bioland-Präsident in diesem Jahr mit Hürden für die Branche. „Die Neuwahlen der Bundesregierung werden die Weichen neu stellen“, gibt er zu bedenken. Plagge geht davon aus, dass in der Folge die Entwürfe zum Tierschutz- und Düngegesetz und das Zukunftsprogramm Pflanzenschutz „in Schubladen verschwinden“ werden. Er sehe es deshalb als wichtiger denn je an, als Bio-Branche zusammenzustehen und sich „für eine weitsichtige, kluge und faktenbasierte Sachpolitik im Sinne der folgenden Generationen einzusetzen“.
Anne Baumann, AöL-Geschäftsführerin
„2025 wird ein spannendes Jahr für die Bios!“, meint Anne Baumann, Geschäftsführerin und Vorständin bei der Assoziation ökologischer Lebensmittelherstellerinnen und -hersteller (AöL). Der Markt verändere sich nach wie vor sehr dynamisch und fordere „alle Resilienz und Innovationskraft, die die Lebensmittelwirtschaft zu bieten hat“, so Baumann. Für „Bio-Hersteller heißt das mehr denn je, ihr eigenes Profil zu schärfen und starke Marken aufzubauen“, erklärt die AöL-Geschäftsführerin. Darüber hinaus betont sie auch, dass es sinnvoll sei, gute Grundlagen für Private-Label-Geschäfte zu schaffen.
Dabei sei Baumann zufolge „ein partnerschaftliches Miteinander entlang der Kette“ und die Notwendigkeit gefragt, „den Bio-Gedanken mit seinem Prozess- und Qualitätsansatz in die Zukunft zu tragen“. Trotz dieser enormen Herausforderungen ist die AöL-Vereinsvorständin dabei optimistisch: „Wer, wenn nicht der Bio-Gedanke hat die Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit und auch den Anspruch, hier Lösungen anzubieten?“ Den Herstellern von Bio-Lebensmitteln komme dabei die Rolle zu, diese Antworten in Form von „leckeren, trendy Produkten zu liefern. Eine tolle Aufgabe!“, meint Baumann.
Bernd Weiling und Peter Meyer, Geschäftsführer Weiling
Bio-Großhändler Weiling erwartet für das neue Jahr weitere „Überraschungen und Veränderungen“. Das teilen die Geschäftsführer Bernd Weiling und Peter Meyer mit. In einer „Welt im Wandel“ werde es auch Chancen für den Bio-Fachhandel geben. „Davon sind wir fest überzeugt“, so Weiling und Meyer.
Entscheidend werde sein, „wie wir es gemeinsam schaffen, in allem effizienter zu werden, in unseren Teams Veränderungsfreude zu entfachen und modern, mit etwas erneuerter Leichtigkeit Verbraucherinnen und Verbraucher für echtes Bio zu begeistern“, so die Geschäftsführer.
Beide betonen, weiterhin klar hinter dem Bio-Fachhandel zu stehen: „Wir beliefern weder den LEH noch sonstige konventionelle Betriebe und werden so auch in Zukunft der verlässliche Partner des unabhängigen Bio-Fachhandels sein.“
Kathrin Jäckel, Geschäftsführerin BNN
Mit Blick auf die Läden teilt Kathrin Jäckel, Geschäftsführerin des Bundesverbands Naturkost Naturwaren (BNN), mit: „In diesen unruhigen Zeiten ist es wichtig, auf die Bedürfnisse und Stimmungen der Menschen zu schauen.“ Wenn Sorgen überwiegen, würden Stabilität und Verlässlichkeit wichtig. Darüber hinaus wachse der Wunsch, sich etwas Gutes zu tun. „Hier hat der Bioladen um die Ecke seine Chancen“, betont Jäckel.
Der Bioladen biete in unruhigen Zeiten „ein persönliches Setting, das viele Menschen zu schätzen wissen“, so die BNN-Chefin. Der Einkauf werde zu einem Moment der Entschleunigung: „Die entspannte Atmosphäre, die vertrauten Gesichter hinter der Theke und das Wissen, dass die Produkte sorgfältig ausgewählt und wirklich nachhaltig produziert wurden, sind ein Anker im Alltag“, führt Jäckel aus.
Dagegen rückten die Kaufmotive Nachhaltigkeit und Klimaschutz angesichts aktueller Unsicherheiten in den Hintergrund, so Jäckel. Dennoch rät sie Bioläden, die Themen weiterhin zu vermitteln – als „Zusatznutzen zum Einkaufserlebnis“. Die BNN-Chefin geht davon aus, dass dabei regionale und saisonale Sortimente noch wichtiger werden.
Trotz aller Herausforderungen sieht sie den Fachhandel gut aufgestellt. „Unsere Branche hat ihre Widerstandsfähigkeit und Wandlungsfähigkeit immer wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt“, so Jäckel. „Der Bio-Fachhandel hat Zukunft, wenn er sie aktiv gestaltet und seine Kräfte bündelt.“
Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW)
„Der Bio-Markt könnte sich 2025 weiter erholen“, meint Stephan Rüschen. Dem Professor für Lebensmittelhandel zufolge, werde der „konventionelle Handel seine Bio-Aktivitäten allerdings weiter intensivieren, da zunehmend Bio-Fachmarken in die Regale des klassischen LEH drängen“.
Ähnlich zu Jäckels Position sollte sich der Bio-Fachhandel laut Rüschen „als die alleinige authentische Einkaufsstätte für nachhaltiges Einkaufen positionieren“. Dabei rät der Handelsfachmann, das Sortiment „Bio-regional auszurichten, um sich von den großen Ketten des LEH abzugrenzen“. Gut erkennbar sollte diese Regionalität im Geschäft sein. Weiterhin sei es wichtig, die Geschichten und die Geschichten der regionalen Erzeuger im Laden darzustellen.
„Die Mitarbeitenden sind dabei das wichtigste Gut, um die Authentizität zu verkörpern“, so Rüschen. „Sie können mit ihrem Wissen und ihrer Haltung den Kundinnen und Kunden vermitteln, dass Bio für den Bio-Fachhandel nicht nur eine von vielen Alternativen ist, sondern die beste Option um nachhaltig einzukaufen und gesund zu leben.“
Volkmar Spielberger, Geschäftsführer Spielberger Mühle
„Ich rate den Biohändlern, aufzupassen, was den Umgang mit Aktionsangeboten und Handelsmarken im Preiseinstieg angeht“, teilt Volkmar Spielberger mit. Der Geschäftsführer der Spielberger Mühle befürchtet, dass sich der Bio-Fachhandel 2025 noch stärker auf die Preisoptik fokussieren wird. Die Gefahr sei groß, den Bogen zu überspannen und durch die Rohertrags-Verluste die Wirtschaftlichkeit des Ladens zu gefährden, mahnt er.
Der Kampf um Marktanteile werde mit ungleichen Werkzeugen und Möglichkeiten geführt und sei „vom Bio-Fachhandel kaum zu gewinnen“, sagt Spielberger mit Blick auf die zunehmende Verfügbarkeit von Bio-Lebensmitteln im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel. „Ich empfehle Bioläden ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Handelsmarken und Herstellermarken.“
„Gute Chancen“ sieht Spielberger für jene Bio-Einzelhändler, „denen es gelungen ist, ein eigenständiges Profil zu entwickeln, die ihren Laden zur Marke machen und ein eigenes, unverwechselbares Angebot haben“. Sie würden 2025 ihren Weg erfolgreich weitergehen.
Auch wenn Personalengpässe in den Läden die Umsetzung erschwerten, rät Spielberger, mit verschiedenen Veranstaltungen die Kundenbeziehungen zu pflegen und für Hintergrundinformationen zu sorgen. Er habe beobachtet, dass Kundinnen und Kunden Aktionen wie diese „wieder zu schätzen wissen“.
Bernd Schüßler, Geschäftsführer Gesellschaft für Bio-Marktentwicklung
Ladenberater Bernd Schüßler erwartet für 2025 eine Verschärfung der bereits sichtbaren Spaltung im Bio-Fachhandel: „Es wird Bioläden geben, bei denen es gut läuft, und solche, die zunehmend in Schwierigkeiten geraten – bis hin zur Schließung“.
Die Erfolgsfaktoren sieht er klar: „Läden, die aktiv neue Kundschaft gewinnen, haben eine Zukunft. Denn bisherige Stammkunden fallen aus Altersgründen zunehmend weg. Wer hingegen abwartet und auf Besserung hofft, wird es schwer haben.“ Schüßler empfiehlt, die Individualität lokaler Bioläden sowohl online als auch offline gezielt in Marketing-Aktionen zu betonen, um ihre Stärken wirkungsvoll herauszustellen.
Simon Döring, Unternehmensberater Kommunikationsberatung Klaus Braun
Eine ähnliche Prognose für die kommenden Monate gibt auch Simon Döring von der Kommunikationsberatung Klaus Braun. Dass es Produkte aus ökologischer Landwirtschaft inzwischen auch im Discounter zu kaufen gibt, könne die Branche als „Riesenerfolg verbuchen“. Doch für Leistungen in der Vergangenheit leite sich „keine Existenzberechtigung für die Zukunft“ ab, so Döring. Auch er nimmt an, dass die „schmerzhafte Marktbereinigung“ im Naturkostfachhandel „noch nicht ganz abgeschlossen“ sei.
Trotzdem, so der Unternehmensberater, „sollten die Verantwortlichen in den inhabergeführten Bioläden wieder optimistisch nach vorne schauen“. Denn auch in diesem – trotz zuletzt stabiler Umsatzentwicklungen – schwierigen Umfeld sei es möglich, erfolgreich zu wirtschaften. „Gefragt ist aktives und mutiges Unternehmertum“, sagt Döring. Seiner Einschätzung nach müsse „sich der Naturkostfachhandel in Teilen neu erfinden“ und dafür seine Geschäftsmodelle weiterentwickeln.
„Als Fachhandel bedient man primär nur eine Nischennachfrage. Gefragt sind also Angebote für jene Kunden, die einen besonderen Anspruch an ihre Einkaufsstätte haben und auch bereit und fähig sind, für die Erfüllung dieser Bedürfnisse entsprechende Preise zu bezahlen“, so Döring. Dabei brauche es standort- und personenspezifische Antworten. „Mitgliederläden, und eine konsequente Profilierung durch Veranstaltungen wie Vorträge und Genussabende sind nur einige der Ansätze, die es lohnt im Jahr 2025 weiter zu verfolgen.“
Daniela Feldt und Nicole Korset-Ristic, Geschäftsführung Bio Company
Die beiden Geschäftsführerinnen des Bio-Filialisten Bio Company, Daniela Feldt und Nicole Korset-Ristic, glauben, „dass der Biohandel im Jahr 2025 eine stabile Basis erreichen wird“. Um auf die sich stetig wandelnden Marktbedingungen optimal reagieren zu können, werde es auch künftig „ein hohes Maß an Agilität und Anpassungsfähigkeit von unserer Branche erfordern“, teilen beide mit. Steigende Lebensmittelpreise könnten die Kaufkraft der Verbraucherinnen und Verbraucher weiter beeinträchtigen, vermuten sie. Jedoch unterstütze „das weiterhin wachsende Bewusstsein für nachhaltige Ernährung und Gesundheit eine stabile Nachfrage nach Bioprodukten“, so Feldt und Korset-Ristic.
Michael Kormesser, Leitung Vertrieb bei Sonnentor
Das Sonnentor-Team blicke dem neuen Jahr optimistisch entgegen und verspüre momentan einen Aufwind in der Öko-Branche, so der Sonnentor-Vertriebsleiter Michael Kormesser. Bei Sonnentor selbst ziehe sich die positive Entwicklung durch alle Warengruppen. Der jüngste Nachfrageanstieg sei Kormesser zufolge auf das Weihnachtsgeschäft zurückzuführen gewesen. Das sei nach dem verhaltenen Ostergeschäft jedoch nicht selbstverständlich gewesen. „Umso mehr freut es uns, dass sich der Bio-Markt offensichtlich stabilisiert“, sagt der Vertriebsleiter.
Eugenia Backes, Inhaberin des Bioladen Schalotte in Grünberg bei Gießen
„Ich sehe der Entwicklung im Bio-Fachhandel in diesem Jahr positiv entgegen“, sagt Eugenia Backes, die den Bioladen Schalotte im hessischen Grünberg führt. „Meine Beobachtung ist, dass die Kundschaft wieder mehr kauft und sich bei der Produktauswahl auch wieder verstärkt für Fachhandelsmarken entscheidet“, so Backes. Darüber hinaus sei der Ladeninhaberin auch aufgefallen, dass zuletzt neben ihrer Stammkundschaft auch viele neue, vor allem jüngere Menschen in ihr Geschäft kommen. „Es macht mir Spaß, viele junge Kundinnen und Kunden im Laden zu sehen“, freut sich Backes.
Gewisse Faktoren könnten die Verbraucherstimmung zwar auch wieder trüben, jedoch wisse man nie, welche Herausforderungen im neuen Jahr auf die Branche zukommen. Entscheidend sei Backes zufolge aber auch, den „Kundinnen und Kunden ein besonderes Einkaufserlebnis zu bieten“. Ihre Kundschaft soll „sich abgeholt und gesehen fühlen“, so die Inhaberin. „Das erreichen wir, indem wir unsere Kunden mit Namen ansprechen oder das Lieblingsbrot anbieten, sobald sie unseren Laden betreten. Ich denke, das macht am Ende den großen Unterschied.“
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