Cem Özdemir sprach sicher vielen Herstellern und Händlern aus der Seele: „Die Entalkoholisierung ist in der Öko-Verordnung nicht erlaubt – das kann man eigentlich niemandem erklären!", sagte der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft vor seinem Besuch bei der Weinmesse Eurovino, die am 3. und 4. März in Karlsruhe stattfindet. Nach Brüssel richtet er den Appell: „Wir sollten das schnell ändern."
Eine Änderung hätten sich betroffene Produzenten und Bio-Verbände allerdings sicher schon früher gewünscht, denn die Lage war kompliziert.
„Alkoholfreie Getränke aus Bio-Wein" darf es nicht mehr geben
Bereits seit dem 1. Januar 2023 ist es in der gesamten Europäischen Union nicht mehr gestattet, alkoholfreien Biowein mit dem EU-Bio-Siegel zu verkaufen. Stattdessen dürfen diese Weine lediglich als konventionelle alkoholfreie Weine vermarktet werden.
Eine Übergangsregelung hatte es bis 31. Dezember 2023 erlaubt, in Deutschland alkoholfreien Wein als „alkoholfreies Getränk aus Bio-Wein" zu verkaufen. Seit dem 1. Januar 2024 darf kein alkoholfreier Wein mehr mit einer Bio-Kennzeichnung verkauft werden.
Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) und Naturkost Süd (NKS) hatten Ende 2023 eine Ausnahmeregelung für den Verkauf von alkoholfreiem Wein (inklusive alkoholfreier Weinmischgetränke) ohne Bio-Zertifizierung beschlossen. Bis auf weiteres kann alkoholfreier Wein bei Bio-Fachhändlern verkauft werden, die nach den Sortimentsrichtlinien der beiden Organisationen zertifiziert sind.
Herausforderungen für die Hersteller
Hersteller, die bisher alkoholfreien Wein nach den geltenden Bio-Qualitätsvorgaben produziert haben, standen also vor der Herausforderung, ihre Produkte vorübergehend ohne Bio-Zertifizierung im Fachhandel vertreiben zu müssen.
Riegel Bioweine, einer der größten deutschen Weingroßhändler, setzte in dieser Situation auf Kommunikation und informierte im Herbst 2023 die Kundschaft darüber, dass die Produkte zwar neu deklariert werden, aber wie bisher aus den identischen Bio-Zutaten bestehen. Laut Claudia Stehle, Leiterin der Marketingabteilung bei Riegel, hatten die neuen Etiketten ohne Bio-Kennzeichnung wenig Auswirkungen auf den Verkauf. „Das hat dem alkoholfreien Wein nicht geschadet. Das Vertrauen in den Bio-Handel ist sehr groß", sagt sie im Gespräch mit BioHandel.
Mit der notwendigen Anpassung im EU-Öko-Recht hatte man bei Riegel Bioweine gegen Ende 2024 gerechnet. Und wenn es nun doch viel schneller ginge? Dann müsste der Weingroßhändler wiederum reagieren und viel organisieren – von der erneuten Kommunikation bis zur abermaligen Umstellung der Etiketten: „Wir haben aber große Vorläufe", sagt Claudia Stehle. Neue Flaschen und Etiketten zu bestellen, gehe nicht von heute auf morgen.
Hintergrund:
- Bei der Überführung von alkoholfreiem Bio-Wein aus dem Lebensmittelrecht ins EU-Weinrecht Ende 2022 wurden Verfahrensvorschriften zur Entalkoholisierung nicht in der EU-Öko-Verordnung ergänzt. Folglich fehlt die Grundlage für eine Bio-Zertifizierung.
- Die Entalkoholisierung ist nicht Teil des speziell für Bio-Wein zugelassenen önologischen Verfahrens der EU-Öko-Verordnung (Verordnung (EU) 2018/848). Durch die Entalkoholisierung verlieren Bio-Weine daher ihren Status als „Bio-Wein".
Dossier wird nun in Brüssel bewertet
Abhilfe kann laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eine Änderung der EU-Öko-Verordnung leisten. Ein entsprechendes Dossier zur Zulassung der Vakuumdestillation als Entalkoholisierungsverfahren für Bio-Wein wurde in Brüssel vorgelegt.
Die Europäische Kommission hat ihre Expertengruppe für technische Beratung im ökologischen Landbau (EGTOP) mit einer Bewertung des Dossiers beauftragt und bereits angekündigt, im Falle einer positiven Bewertung zeitnah einen Verordnungsentwurf vorzulegen. Federführerin des Verfahrens ist die EU-Kommission.
„Wer alkoholfreien Wein trinken will, sollte dies auch in Bio-Qualität tun können."
Bundesminister Cem Özdemir will sich für den alkholfreien Bio-Wein stark machen : „Immer mehr Menschen wollen Wein auch hin und wieder alkoholfrei genießen und das ist mit Sicherheit keine schlechte Nachricht. Wer alkoholfreien Wein trinken will, sollte dies auch in Bio-Qualität tun können."
Und weiter: „Ich werbe daher in Brüssel und bei Kolleginnen und Kollegen in den Mitgliedsstaaten für eine zeitgemäße und zielgerichtete Anpassung der Öko-Verordnung. Dieser Schritt öffnet die Tür zu einem zusätzlichen wachsenden Markt, ist im Sinne des deutschen Weinbaus und stärkt ihn damit nachhaltig.“
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