Der Bundestag hat am Freitag der vergangenen Woche das Lieferkettengesetz beschlossen. Ab 2023 sind Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitern dazu verpflichtet, bei ihren Zulieferern Risiken für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung zu ermitteln, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und diese gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu dokumentieren. Ab 2024 gilt das auch für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern.
Für nachhaltig wirtschaftende Unternehmen sei die gesetzliche Verankerung von unternehmerischen Sorgfaltspflichten ein wichtiger Meilenstein, da es ihre Grundwerte und jahrelangen, freiwilligen Investitionen als zukunftsweisend anerkenne, teilt Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft, mit. Doch durch die Beschränkung auf sehr große Unternehmen würden Wettbewerbsnachteile auf kleine und mittelständische nachhaltige Unternehmen fortbestehen bleiben.
Bringt das Lieferkettengesetz Mehrkosten?
Eine Studie der EU-Kommission schätzt für große Unternehmen die Kosten auf durchschnittlich 0,005 Prozent ihrer Gewinne. Allerdings zeigen Praxiserfahrungen, dass auch mit höheren Steigerungen der Mehrkosten im Einkauf in den ersten Jahren zu rechnen sein kann (Risikoerfassung, Anpassung der Lieferkette). Hier müssen allerdings die Kosten für die Unternehmen in Beziehung zu den Kosten für die gesamte Gesellschaft gesetzt werden. Jüngste Beispiele von deutschen Unternehmen (Tönnies, VW-Dieselskandal, Wirecard) zeigen, wie die gesellschaftlichen Kosten durch unethisches Wirtschaften in die Höhe getrieben werden – mit gravierenden negativen Auswirkungen auf das Gütemerkmal made in Germany.
Quelle: Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft
Insbesondere auf Druck der CDU und des CDU-geführten Bundeswirtschaftsministeriums ist der ursprüngliche Gesetzentwurf an zahlreichen Stellen abgeschwächt worden. Anders als zunächst von Bundesarbeitsminister Heil (SPD) und Bundesentwicklungsminister Müller (CSU) vorgesehen, gilt das Gesetz für weniger Unternehmen, schränkt die Sorgfaltspflichten von Unternehmen stark ein und begründet keinen zivilrechtlichen Haftungstatbestand mehr. Das bedeutet, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen auf Basis dieses Gesetzes keinen Schadensersatz von Unternehmen einklagen können.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie bewertet die geänderte Gesetzesfassung – und insbesondere den Verzicht auf zivilrechtliche Haftung von Unternehmen – allgemein positiv. Nun müsse der Unterstützungsbedarf der betroffenen Unternehmen ermittelt werden, teilt Stefanie Sabet, Geschäftsführerin und Leiterin des Brüsseler Büros der BDE mit. Zudem fordert die Vereinigung eine einheitliche europäische Regelung, „um einen fairen Wettbewerb im Binnenmarkt und eine größere Durchsetzungskraft in den globalen Lieferketten zu erreichen“, so Sabet. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller sagte, die EU solle die deutsche Regelung jetzt zur Grundlage eines Vorschlags zur Einhaltung der Menschenrechte in allen europäischen Lieferketten machen.
Für eine europaweite Regelung, die über das deutsche Gesetz hinausgeht, setzt sich auch die Initiative Lieferkettengesetz ein. Seit 2019 streitet das zivilgesellschaftliche Bündnis, zu dem 128 Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen gehören, für ein nach ihrer Meinung „starkes Lieferkettengesetz in Deutschland“. Das verabschiedete Gesetz bewertet die Initiative als Etappenerfolg, und fordert die Bundesregierung zu Nachbesserungen auf.
Träger der Initiative Lieferkettengesetz
Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt-Landesnetzwerke in Deutschland e.V. (agl), Brot für die Welt, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Christliche Initiative Romero e.V. (CIR), CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Forum Fairer Handel e.V., Germanwatch e.V., Greenpeace e.V., INKOTA-netzwerk e.V., Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V., Oxfam Deutschland e.V., SÜDWIND e.V., ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V., Weltladen-Dachverband e.V., Werkstatt Ökonomie e.V.
„Im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in den Lieferketten sind wir noch lange nicht am Ziel, aber endlich am Start“, teilt Johanna Kusch, Koordinatorin der Initiative Lieferkettengesetz, mit. Das Gesetz umfasse zu wenige Unternehmen und macht zu viele Ausnahmen bei den Sorgfaltspflichten, so die Kritik. Und: „Es verweigert Betroffenen den Anspruch auf Schadensersatz und setzt leider kein Zeichen für den Klimaschutz in Lieferketten“, sagt Kusch. Die Initiative hat das Gesetz ausführlich analysiert. Ein wirkungsvolleres Gesetz sei ihr zufolge möglich gewesen. (kam)
Weiterführende Links
Analyse der Initiative Lieferkettengesetz
Entwurf eines Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten
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