Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket wollen die Vereinten Nationen das Artensterben bis zum Jahr 2050 beenden und die biologische Vielfalt fördern. Dafür will die Staatengemeinschaft auch unter Beteiligung indigener Völker, in deren Gebieten oft die größte Artenvielfalt herrscht, mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresfläche bis zum Jahr 2030 zu Schutzgebieten erklären. Außerdem sollen die Risiken durch Pestizide bis 2030 halbiert und umweltschädliche Subventionen von 500 Milliarden Dollar abgebaut werden. Laut des neuesten Protected Planet Report der Vereinten Nationen lagen 2020 etwa 16,6 Prozent der Land- und Binnengewässerökosysteme und 7,7 Prozent der Küstengewässer und des Ozeans in Schutzgebieten.
Insgesamt hat die Staatengemeinschaft auf der 15. Weltnaturkonferenz (CBD COP 15) in Montreal vier langfristige Ziele bis 2050 und 23 mittelfristige Ziele bis 2030 beschlossen. Dazu gehört auch, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren und landwirtschaftliche Subventionen zu streichen, die schädlich für die Umwelt sind. Zudem sollen die Staaten dafür sorgen, dass Unternehmen und Finanzinstitutionen offenlegen, welche ihrer Geschäfte sich schädlich auf die biologische Vielfalt auswirken.
Für die Umsetzung der Maßnahmen sollen in einem ersten Schritt bis zum Jahr 2030 weltweit jährlich 200 Milliarden US-Dollar für den Schutz der biologischen Vielfalt mobilisiert werden. Bis 2025 sollen die Industriestaaten ihre jährlichen Ausgaben für Naturschutz von aktuell zehn auf 20 Milliarden und bis 2030 auf 30 Milliarden US-Dollar steigern. Im Abschlussbericht stellen die Staaten gleichwohl fest, dass weitere 700 Milliarden Dollar pro Jahr fehlen, um den Artenschutz zu gewährleisten. Diese Finanzierungslücke solle schrittweise geschlossen werden. 2026 wollen die Länder eine erste Bestandsaufnahme zur Wirksamkeit ihrer Maßnahmen für den Artenschutz vorlegen.
„Die Staatengemeinschaft rückt die Bekämpfung des Artensterbens endlich dahin, wo sie hingehört: nach oben auf die politische Agenda“, teilte der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, mit. Das Signal aus Montreal „ist auch für die Landwirtschaft und unsere Ernährung wichtig“. Artenvielfalt schützen, heiße immer auch Ernährung sichern, so Özdemir.
Nur wenig Naturschutzgebiete in Deutschland
Kritischer äußerten sich Umweltorganisationen zu dem Abkommen. Greenpeace zufolge reiche das Ergebnis nicht aus, um das Massensterben der Arten aufzuhalten. Es schließe schädliche Aktivitäten wie industrielle Fischerei oder Holzeinschläge in Schutzgebieten nicht prinzipiell aus, teilte Greenpeace Deutschland mit. Auch die jährlich 20 Milliarden US-Dollar und später 30 Milliarden sind für Greenpeace lediglich ein Anfang für die Finanzierung des Naturschutzes.
„Bei einer Finanzierungslücke von 700 Milliarden Dollar für Naturschutz ist unklar, woher der Rest des Geldes kommen soll“, teilte Jannes Stoppel, Politikexperte von Greenpeace Deutschland, mit. Jetzt läge es an den einzelnen Staaten, sich gegen die Agrar-, Holz- und Fischereilobbys durchzusetzen und den Schutz in ihren Gebieten so stark wie möglich zu gestalten. Das gelte auch für Deutschland, so Stoppel. „Auch bei uns sind bisher weniger als drei Prozent der Wälder und weniger als ein Prozent der europäischen Meeresgebiete strikt vor industrieller Ausbeute geschützt. In den meisten Schutzgebieten werden bisher einfach weiter Bäume gefällt oder es wird industriell gefischt“, kritisierte Stoppel. Laut des Bundesamts für Naturschutz standen Ende 2019 insgesamt 2.670.015 Hektar und damit gerade mal 6,4 Prozent der Land- und Seefläche in Deutschland unter Naturschutz.
Auch der WWF sieht Schwachstellen bei dem Weltnaturabkommen. Dies sei insbesondere der Fall bei den Inhalten für die nachhaltige Nutzung der verbleibenden Ökosysteme außerhalb von Schutzgebieten sowie bei der Priorisierung der Gebiete, die besonderen Wert für die biologische Vielfalt haben. „Nötig wäre es, alle verbleibenden intakten Ökosysteme zu erhalten“, teilte WWF Deutschland mit. Zu schwach ausgefallen sei außerdem die Adressierung der Treiber des Artensterbens in den Wirtschaftssektoren und die Verankerung des ökologischen Fußabdruckes.
Trotz allem sei das Ergebnis angesichts der schwierigen Verhandlungen der letzten Wochen als Erfolg zu verbuchen. „Die Verhandlungsstaaten haben es geschafft, sich auf ein lückenhaftes, aber letztlich überraschend gutes Rahmenwerk zu einigen. Es kann uns die Möglichkeiten geben, unsere Lebensgrundlagen zu retten – wenn die Vertragsstaaten es denn wollen“, so Florian Titze, Experte für internationale Politik beim WWF Deutschland.
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